Die ärztliche Leichenschau dient der Feststellung:
1. des Todes
Die Feststellung des Todes erfolgt anhand der sog. sicheren Todeszeichen. Sichere Todeszeichen sind Leichenflecke (Beginn ca. 30 min nach Herz-Kreislauf-Stillstand), Leichenstarre (Eintritt ca. 2 bis 8 h nach Herz-Kreislauf-Stillstand), späte Leichenveränderungen wie Fäulnis (frühestes Fäulniszeichen meist Grünverfärbung am rechten Unterbauch) und nicht mit dem Leben vereinbare Verletzungen.
2. der Identität des Verstorbenen
Die Feststellung der Identität des Verstorbenen erfolgt nach eigener Kenntnis (unproblematisch), nach Einsicht in den Personalausweis oder Reispass (bei älteren Bildern problematisch) oder nach Angaben von Dritten (Angehörige, Polizei). Stark durch thermische oder mechanische Einwirkung veränderte Leichen oder stark fäulnisveränderte Leichen können im Rahmen der Leichenschau nicht sicher identifiziert werden. Bei unbekannten oder nicht sicher identifizierbaren Leichen muss umgehend die Polizei verständigt werden.
3. der Todeszeit
Eine Feststellung der Sterbezeit ist nur bei eigener Beobachtung oder nach Angaben von Dritten (z. B. Angehörige, Pflegepersonal) möglich. In allen anderen Fällen sollte der Zeitpunkt der Leichenauffindung angegeben und als solcher gekennzeichnet werden. Fehlerhafte Angaben zur Sterbezeit oder die Angabe von Schätzwerten können auch bei natürlichen Todesfällen z.B. zu erbrechtlichen Konsequenzen führen. Bei Tötungsdelikten entspricht der Todeszeitpunkt dem mutmaßlichen Tatzeitpunkt und ist daher von wesentlicher Bedeutung für die Ermittlungen. Die Todeszeitschätzung gehört in den Bereich der rechtsmedizinischen Fachbegutachtung und ist nicht Aufgabe des Leichenschauers.
4. der Todesursache
Eine Feststellung der Todesursache nur aufgrund einer äußeren Besichtigung bei der Leichenschau ist kaum möglich. Meist handelt es sich um Verdachtsdiagnosen, die sich aus bekannten Vorerkrankungen ergeben. Diese Verdachtsdiagnosen sollten im Totenschein auch als solche gekennzeichnet werden (z. B. Verdacht auf Myocardinfarkt infolge einer Koronararteriensklerose). Die vermeintlich sichere Angabe einer vermuteten Todesursache kann auch bei natürlichen Todesfällen zu versicherungsrechtlichen Konsequenzen führen. Bei nicht-natürlichen Todesfällen sind auch strafrechtliche Fehlentscheidungen möglich. Bei der Angabe der Todesursache muss immer die Kausalkette mit in Betracht gezogen werden.
5. der Todesart
Hierbei handelt es sich um die Klassifikation eines Todesfalles als "natürlich, "nicht-natürlich" oder "ungeklärt". Natürlich ist jeder Tod aus innerer Ursache (durch Erkrankung bedingt). Nichtnatürlich ist jeder Tod aus äußerer Ursache, wie z. B. Tötung, Suizid, Unfall, Intoxikation und auch der Tod im Zusammenhang mit einem ärztlichen Eingriff, unabhängig von der Frage, ob es sich um eine Komplikation oder um eine fehlerhafte Behandlung handelt. Bei der Zuordnung der Todesart muss die Kausalkette beachtet werden. Verstirbt ein Patient z. B. an einer Lungenentzündung oder einer Lungenembolie, nachdem er durch einen evtl. auch lange zurückliegenden Unfall immobilisiert war, so handelt es sich um einen nicht-natürlichen Tod. Für die Entscheidung "nichtnatürlicher Todesfall" reichen Anhaltpunkte aus. Bei unklarer Todesursache oder Differentialdiagnosen, die entweder einem natürlichen oder einem nichtnatürlichen Tod entsprechen würden, sollte die Todesart als ungeklärt angegeben werden. Bei nicht-natürlicher und ungeklärter Todesart ist zeitnah die Polizei zu verständigen.
Eine Verpflichtung zur Leichenschau besteht für jeden niedergelassenen Arzt und den kassenärztlichen Dienst im jeweiligen Einzugsgebiet, ebenso wie für im Krankenhaus oder im Heim tätige Ärzte bei Todesfällen in diesen Einrichtungen. Notärzte können sich auf die Feststellung des Todes und der Identität beschränken im Sinne einer vorläufigen Leichenschau. Zur Durchführung der eigentlichen Leichenschau ist dann einer anderer Arzt hinzu zu ziehen.
Die Durchführung der Leichenschau sollte sorgfältig, d. h. bei guten Lichtverhältnissen und an der vollständig entkleideten Leiche erfolgen. Geachtet werden sollte neben äußeren Verletzungen auch auf petechiale Einblutungen in der Gesichtshaut, in den Augenliedern, den Lidbindehäuten und den Lippenumschlagfalten, die einen Hinweis auf ein Ersticken und damit auf einen nicht-natürlichen Tod geben können.
Meldepflichten des Leichenschauers bestehen
- bei nicht sicher geklärter Identität des Verstorbenen an die Polizei
- bei ungeklärter oder nichtnatürlicher Todesart an die Polizei
- bei Verdacht auf Vorliegen einer Infektionskrankheit nach dem Infektionsschutzgesetz an das zuständige Gesundheitsamt
- bei Verdacht auf Vorliegen einer Berufskrankheit an die Berufsgenossenschaft.